Die Beklagte ist Reiseveranstalterin in D*****. Der Kläger buchte über ein ***** Reisebüro bei der Beklagten eine Pauschalreise nach *****, wobei die Unterbringung in einem rollstuhlfreundlichen Zimmer vereinbart war. Am 9.11.2011 benützte der Kläger die Dusche im Zimmer des gebuchten Hotels und setzte sich auf den an der Wand befestigten Klappsessel. Der Klappsessel war nicht sach- und fachgerecht montiert und riss von der Wand ab. Der Kläger stürzte ungebremst zu Boden und zog sich einen Oberschenkelhalsbruch zu.
Mit seiner Klage vom 7.3.2012 begehrte der Kläger von der Beklagten die Zahlung von EUR 30.046,85 sA für unfallkausale Schäden sowie die Feststellung, dass ihm die Beklagte für sämtliche künftigen Schäden aus dem Unfall vom 9.11.2011 zu haften habe. Im Rechtsmittelverfahren ist nicht mehr strittig, dass die Beklagte dem Kläger zu haften und ihm EUR 29.671,08 an unfallkausalen Schäden zu ersetzen hat. Hinsichtlich dieser Ansprüche ist rechtskräftig geklärt, dass der Kläger bei Abschluss des Reisevertrags Verbraucher war und sich auf den Verbrauchergerichtsstand nach Art. 15 f EuGVVO stützen kann.
Der Kläger war reiseversichert. Der Reiseversicherer zahlte die durch den Unfall verursachten Transportkosten in Höhe von insgesamt EUR 19.463,43.
Der Kläger war auch krankenversichert. Der Sozialversicherungsträger trug die Kosten für die Heilbehandlungen des Klägers in ***** und *****. Diese Kosten beliefen sich auf EUR 10.032,79.
Je mit einem Schreiben vom 3.11.2014 traten sowohl der Reiseversicherer als auch der Sozialversicherungsträger ihre (im Wege der Legalzession auf sie übergangenen) Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger zur Geltendmachung im bereits anhängigen Aktivprozess ab. Der Kläger nahm diese Abtretungen an. Dabei wurde vereinbart, dass er diese Forderungen im eigenen Namen, aber auf Rechnung der Zedenten geltend machen werde und die Forderungen wirtschaftlich bei diesen verbleiben.
Von diesen grundsätzlichen, im Rechtsmittelverfahren nicht mehr strittigen tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen ist auszugehen.
Mit Schriftsatz vom 6.11.2014 dehnte der Kläger das Klagebegehren um die an ihn (rück)zedierten Forderungen des Reiseversicherers und des Sozialversicherungsträgers um weitere EUR 29.496,22 sA aus. Er brachte dazu vor, dass die ausgedehnten Beträge zunächst seine eigene Ansprüche gewesen und im Wege der Legalzession an den Reiseversicherer (§ 67 VersVG) bzw an den Sozialversicherungsträger (§ 332 ASVG) übergegangen seien. Durch diesen Forderungsübergang und die Rückabtretung an ihn (Inkassozession) habe sich an der Rechtsnatur der Ansprüche nichts geändert. Die rückabgetretenen Ansprüche seien nach wie vor Ansprüche aus einem Verbrauchervertrag. Auch für diese stehe daher der Verbrauchergerichtsstand nach Art. 15 f EuGVVO zur Verfügung. Das angerufene Gericht sei auch dafür international zuständig.
Die Beklagte bestritt die internationale Zuständigkeit für die rückzedierten Ansprüche. Der Begriff „Verbraucher“ sei eng auszulegen (EuGH C-464/01, Gruber). Eine im Rahmen ihres Berufs oder Gewerbes handelnde Person könne sich nicht auf den Verbrauchergerichtsstand berufen, und zwar auch dann nicht, wenn ihr Ansprüche eines Verbrauchers abgetreten worden seien (EuGH C-89/91, Shearson/TVB). Die Geltendmachung von Regressansprüchen gegen den Schädiger durch den Versicherer bzw den Sozialversicherungsträger erfolge in Ausübung der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit. Das Mandat zur Einziehung (Inkassomandat) sei in Ausübung der beruflichen bzw gewerblichen Tätigkeit an den Kläger erteilt worden. Mit der Legalzession sei der Verbrauchergerichtsstand verloren gegangen. Eine Inkassozession verpflichte den Zessionar, die eingehobene Leistung an den Zedenten abzuführen. Dies komme einer Treuhandschaft gleich. In Wahrheit stehe die Forderung wirtschaftlich dem Versicherer bzw Sozialversicherungsträger zu. Diese seien – anders als ein Verbraucher – nicht schutzwürdig. Der Verbrauchergerichtsstand könne nicht durch die „Hintertüre“ wieder aufleben. Es werde daher beantragt,
-die Klagsausdehnung wegen internationaler und örtlicher Unzuständigkeit des Gerichts nicht zuzulassen,
-in eventu, die Klage im Umfang der Ansprüche, um welche sie mit Schriftsatz vom 6.11.2014 ausgedehnt wurde, wegen internationaler und örtlicher Unzuständigkeit des Gerichts zurückzuweisen.
Gleichzeitig regte die Beklagte an, ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof einzuleiten.
Dem angefochtenen Urteil legte das Erstgericht den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde. Unter Spruchpunkt I) verwarf es mit Beschluss „die Einrede der Beklagten, die Klagsausdehnung um EUR 29.496,22 samt Zinsen wegen internationaler und örtlicher Unzuständigkeit des Gerichts zurückzuweisen“. Unter Spruchpunkt II) gab es dem Leistungsbegehren im Umfang von EUR 59.167,30 sA (darin die rückzedierten Ansprüche im vollen Umfang) sowie dem Feststellungsbegehren statt. Das Leistungsmehrbegehren von EUR 375,77 sA wies es ab.
Zu Spruchpunkt I) führte es in rechtlicher Hinsicht aus, dass sich durch die Legalzession (§ 67 Abs. 1 VersVG bzw § 332 Abs. 1 ASVG) an der Rechtsnatur der Ansprüche nichts ändere. Die Rückzession an den Kläger sei eine Abtretung zur Einziehung (Inkassozession). Dass dem Kläger für die Geltendmachung seiner Ansprüche der Verbrauchergerichtsstand gemäß Art. 15 f EuGVVO zur Verfügung stehe, sei bereits rechtskräftig ausgesprochen worden (ON 10 und ON 14). Da sich auch durch die Rückzession an der Rechtsnatur der Ansprüche nichts ändere, seien diese nach wie vor Forderungen eines Verbrauchers, sodass auch für die ausgedehnten Beträge das angerufene Gericht nach Art. 15 f EuGVVO international zuständig sei.
Zur Sachentscheidung unter Spruchpunkt II) führte es aus, dass die Beklagte ihre Schutz- und Sorgfaltspflichten aus dem Reisevertrag verletzt habe. Sie habe daher auch für die an den Kläger rückzedierten unfallkausalen Kosten zu haften.
Insoweit dem Leistungsbegehren mit EUR 29.671,08 sA und dem Feststellungsbegehren stattgegeben wurde, erwuchs das angefochtene Urteil in Rechtskraft. Auch die Abweisung des Leistungsmehrbegehrens von EUR 375,77 sA blieb unbekämpft.
Gegen den weiteren Zuspruch von EUR 29.496,22 sA richtet sich die „Berufung“ der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass
-der Einrede der internationalen und örtlichen Unzuständigkeit Folge gegeben werde; und
-dem Zahlungsbegehren des Klägers nur im Umfang von EUR 29.641,08 (richtig: 29.671,08) sA stattgegeben werde;
-die Klage aber im Umfang des Mehrbegehrens von EUR 29.496,22 sA mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurückgewiesen werde.
Der Kläger beantragt in seiner „Berufungsbeantwortung“, das Rechtsmittel der Gegenseite als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, diesem keine Folge zu geben.
1. Das Rechtsmittel ist zulässig.
1.1 Dem Argument des Klägers, dass das Erstgericht nur implizit in der Sachentscheidung über die Klagsänderung abgesprochen habe und die Beklagte in ihrer Berufung gegen die Sachentscheidung das Unterlassen einer ausdrücklichen Entscheidung über die Klagsänderung gar nicht rüge, sodass diese als unzulässig zurückzuweisen sei, kann nicht gefolgt werden.
1.2 Das – wie sich aus dem Nachfolgenden ergibt – richtigerweise als Rekurs aufzufassende und als solches zu behandelnde Rechtsmittel der Beklagten ist zulässig, und zwar aus folgenden Erwägungen:
1.3 Die Entscheidung über die Zulassung oder Nichtzulassung einer Klagsänderung hat grundsätzlich durch Beschluss zu erfolgen. Das Gericht kann die Entscheidung über eine Klagsänderung (hier in Form einer Klagsausdehnung) in einem abgesonderten Beschluss treffen, sie als Beschluss mit in die Ausfertigung des Urteils aufnehmen oder sogar ohne darüber formell Beschluss zu fassen, der Endentscheidung das geänderte Begehren „einfach“ (implizit) zugrunde legen. Wird die implizite Zulassung der Klagsänderung bekämpft und behandelt auch die zweite Instanz das strittige Vorbringen inhaltlich, ist von zwei konformen, die Zulässigkeit der Erweiterung implizit bejahenden Instanzenentscheidungen auszugehen, deren Anfechtung nach § 528 Abs. 2 Z 2 ZPO jedenfalls ausgeschlossen ist (RIS-Justiz RS0039450; RS0102058). Will ein Beklagter in einem derartigen Fall die „konkludente“ Zulassung der Klagsänderung bekämpfen, dann muss er dies im Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung tun; unterlässt er eine solche Rüge, dann ist die Zulassung der Klagsänderung rechtskräftig geworden und damit für das weitere Verfahren zugrunde zu legen (RIS-Justiz RS0039450).
1.4 Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass das Erstgericht im hier maßgeblichen Regime des § 235 ZPO mit Beschluss aussprechen hätte müssen, ob die „Klagsänderung zulässig“ sei oder nicht, nicht aber die „Einrede der internationalen Zuständigkeit verwerfen“ hätte dürfen, womit das Erstgericht nur über das Eventualbegehren, nicht aber über das Hauptbegehren der Beklagten abgesprochen habe. Auf exakt diese Formulierung kommt es jedoch nicht an, da der Entscheidungswille des Erstgerichts klar erkennbar ist. Die Beklagte hat sich nur wegen fehlender internationaler Zuständigkeit gegen die Klagsausdehnung ausgesprochen. Wenn das Erstgericht nun unter Spruchpunkt I) diesen (einzigen) Einwand verworfen hat, ist dies nicht anders zu verstehen, als dass es – ausdrücklich mit Beschluss – die Klagsänderung, hier in Form einer Klagsausdehnung, zugelassen hat.
1.5 Gegen einen Beschluss, mit dem über die Zulässigkeit einer Klagsänderung entschieden wird, steht das binnen 14 Tagen einzubringende Rechtsmittel des Rekurses offen (Rechberger/Klicka in Rechberger4, § 235 ZPO Rn. 8).
1.6 Die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels hindert nicht dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise. Im Rekursverfahren ist ein formeller Rechtsmittelantrag für die meritorische Behandlung nicht notwendig, sofern sich das Rechtsschutzziel des Rekurswerbers aus den Rekursgründen völlig unzweifelhaft ergibt (RIS-Justiz RS0036258 [T3]). Dies ist hier der Fall. In ihrer „Berufung“ wendet sich die Beklagte ausschließlich gegen die Zulassung der Klagsausdehnung mit dem Argument, dass die internationale Zuständigkeit nicht gegeben sei. Argumente gegen die Sachentscheidung selbst bringt sie nicht vor. Die Beklagte strebt klar erkennbar die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahingehend an, dass im Ergebnis die Klagsänderung, mit der das Klagebegehren um EUR 29.496,22 sA ausgedehnt wurde, wegen fehlender internationaler Zuständigkeit für unzulässig erklärt werde. Dies ist auch im Hinblick auf die damit einhergehende Sachentscheidung ausreichend: Wird eine Klagsänderung nicht zugelassen, dann ist über das geänderte Begehren nicht zu entscheiden (RIS-Justiz RS0107805) und muss in diesem Umfang auch die Sachentscheidung entfallen. Die „Berufung“ der Beklagten ist daher als Rekurs gegen den Beschluss in Spruchpunkt I), mit dem die Klagsänderung erkennbar zugelassen wurde, zu deuten.
2. Das Rechtsmittel ist rechtzeitig.
2.1 Gemäß § 521 Abs. 1 ZPO beträgt die Rekursfrist 14 Tage. Das gegenständliche Rechtsmittel wurde außerhalb der 14-tägigen Rekursfrist, aber innerhalb der vierwöchigen Berufungsfrist eingebracht. Enthält die Ausfertigung einer Entscheidung mehrere Beschlüsse oder ein Urteil und einen oder mehrere Beschlüsse, für die verschieden lange Rechtsmittelfristen gelten, dann kommt für die Anfechtung einer solchen Entscheidung, gleichgültig welcher ihrer Teile angefochten wird, immer die längere Rechtsmittelfrist zum Tragen (RIS-Justiz RS0002105, insbesondere 4 Ob 103/85). Da in der angefochtenen Entscheidung das Urteil und der Beschluss über die Zulässigkeit der Klagsänderung enthalten sind, stand der Beklagten für die Anfechtung des Spruchpunkts I) die vierwöchige Berufungsfrist zur Verfügung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz (Bekämpfung des Kostenausspruchs – Fasching, Lehrbuch2 Rn. 1991; Fucik in Rechberger4, § 55 ZPO Rn. 2; unterschiedliche Beschwer – 1 Ob 36/14x) lag nicht vor.
2.2 Auch die als Rekursbeantwortung zu deutende „Berufungsbeantwortung“ des Klägers ist rechtzeitig. Das Rechtsmittel der Beklagten wurde dem Klagsvertreter am 15.12.2015 zugestellt. Die 14-tägige Frist für die Rechtsmittelbeantwortung lief wegen der Fristenhemmung des § 222 ZPO erst am 12.1.2016 ab. Die Rechtsmittelbeantwortung wurde am 7.1.2016, sohin innerhalb dieser Frist, eingebracht.
3. Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.
3.1 Mit den bereits in erster Instanz vorgebrachten Argumenten macht die Beklagte auch im Rechtsmittelverfahren geltend, dass für die ausgedehnten Klagsansprüche der Verbrauchergerichtsstand nicht zur Verfügung stehe. Das Erstgericht hätte auch feststellen müssen, dass das auf die rückabgetretenen Forderungen entfallende Prozesskostenrisiko vereinbarungsgemäß bei den Zedenten bleiben sollte und dass diese das Mandat zur Einziehung in Ausübung ihrer beruflichen bzw gewerblichen Tätigkeit an den Kläger erteilt hätten (sekundäre Feststellungsmängel). Ein „acte clair“ liege nicht vor. Es werde angeregt, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten.
Dazu ist zu erwägen:
Rechtliche Beurteilung
3.2 Vorauszuschicken ist, dass auf den vorliegenden Fall noch die VO (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) anzuwenden ist, weil die ihr nachfolgende VO (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO neu) gemäß ihrem Art. 66 nur auf Verfahren anzuwenden ist, die am 10.1.2015 oder danach eingeleitet worden sind.
3.3 Nach Art. 2 EuGVVO gilt der allgemeine Grundsatz, dass die Gerichte jenes Mitgliedsstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat. Von diesem allgemeinen Grundsatz abweichende Zuständigkeitsregeln – wie der Verbrauchergerichtsstand nach Art. 15 f EuGVVO – sind eng auszulegen (EuGH C-464/01, Gruber).
3.4 Bereits zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (EuGVÜ) hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass die von diesem allgemeinen Grundsatz abweichenden Zuständigkeitsregeln einer Auslegung nicht zugänglich sind, die über die in dem Übereinkommen vorgesehenen Fälle hinausgeht. Zum Verbrauchergerichtsstand (Art. 13 ff EuGVÜ) führte der Gerichtshof aus, dass das Übereinkommen von dem Bestreben getragen ist, den Verbraucher als den wirtschaftlich schwächeren und rechtlich weniger erfahrenen Vertragspartner zu schützen. Aus dem Schutzzweck dieser Vorschrift ergibt sich, dass die im Übereinkommen insoweit vorgesehenen besonderen Zuständigkeitsregeln nicht auf Personen ausgedehnt werden dürfen, die dieses Schutzes nicht bedürfen. Dies trifft auf einen Kläger zu, an den eine Forderung eines Verbrauchers rechtsgeschäftlich abgetreten wurde und der diese Forderung in Ausübung seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geltend macht. Dieser ist nicht mehr an einem der in Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ aufgeführten Verträge beteiligter Verbraucher, sodass ihm die besonderen Zuständigkeitsregeln des Übereinkommens für Verbrauchersachen nicht zugute kommen (EuGH C-89/91, Shearson/TVB; RIS-Justiz RS0113634).
3.5 Nichts anderes kann – nach Art. 15 f EuGVVO – für die hier zu beurteilenden gesetzlichen Forderungsübergänge gelten. Es ist unzweifelhaft, dass sowohl der Reiseversicherer als auch der Sozialversicherungsträger ihre Regressforderungen gegen die Beklagte im Rahmen ihrer beruflichen bzw gewerblichen Tätigkeit und nicht als Verbraucher geltend machen. Der Schutzzweck des Verbrauchergerichtsstands nach den Art. 15 f EuGVVO ist nach der diesbezüglich eindeutigen Rechtsprechung des EuGH durch die Legalzession verloren gegangen und lebt auch durch die Inkassozession nicht wieder auf. Der Kläger ist hinsichtlich der rückzedierten Forderungen nicht mehr schutzwürdig, da seine eigenen Schadenersatzansprüche bereits durch die Zedenten abgedeckt wurden. Der beantragten ergänzenden Feststellungen zur Erteilung des Inkassomandats und zur Tragung des Prozesskostenrisikos bedarf es daher nicht.
3.6 Zu prüfen ist jedoch, ob die internationale Zuständigkeit für die rückzedierten Forderungen auf Art. 6 Nr. 2 EuGVVO gestützt werden kann. Die Vorabentscheidung des EuGH vom 21.1.2016 in der Rechtssache C-521/14, SOVAG/If Vahinkovakuutusyhtiö Oy, gibt dazu Anlass. Dabei schadet nicht, dass sich der Kläger nicht auf Art. 6 Nr. 2 EuGVVO gestützt hat. Eine ausdrückliche Berufung auf eine Zuständigkeitsnorm der EuGVVO ist nicht erforderlich. Bei der Prüfung der Zuständigkeitstatbestände genügt es, wenn der Kläger das erforderliche Tatsachensubstrat vorbringt, die rechtliche Konfiguration muss er nicht benennen (Brenn, Europäischer Zivilprozess, Rn. 20; 8 Ob 67/15h).
3.7 Der Entscheidung SOVAG lag zugrunde, dass der Geschädigte, der in Deutschland in einen Verkehrsunfall verwickelt worden war, gegen die deutsche Versicherungsgesellschaft des unfallverursachenden Fahrzeugs – gestützt auf die Zuständigkeitsvorschriften der Art. 8 bis 14 EuGVVO in Versicherungssachen – vor einem finnischen Gericht Klage erhoben hatte. Da dieser Verkehrsunfall gleichzeitig ein Arbeitsunfall nach dem finnischen Unfallversicherungsgesetz war, leistete die finnische Unfallversicherungsgesellschaft Entschädigungszahlungen. Nachdem der Geschädigte gegen die deutsche Versicherungsgesellschaft Klage erhoben hatte, verklagte die finnische Unfallversicherungsgesellschaft ihrerseits die deutsche Versicherungsgesellschaft vor demselben erstinstanzlichen Gericht in Finnland. In diesem Anlassverfahren stellte sich die Frage, ob Art. 6 Nr. 2 EuGVVO auf diese Klage angewendet werden kann. Der Europäische Gerichtshof führte dazu aus, dass sich die Klage der finnischen Unfallversicherungsgesellschaft nicht auf die Zuständigkeit für Versicherungssachen (Art. 8 – 14 EuGVVO) stützen kann. Ziel dieses Abschnitts sei, die schwächere Partei (das heißt den Versicherten, den Begünstigten oder den Versicherungsnehmer) durch Zuständigkeitsvorschriften zu schützen, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung. Die Klage der finnischen Unfallversicherung betreffe aber die Beziehungen zwischen gewerblich Tätigen des Versicherungssektors. Insbesondere unter Heranziehung des Erwägungsgrundes 15 EuGVVO, wonach Parallelverfahren soweit wie möglich vermieden werden müssten, kam der Europäische Gerichtshof jedoch zum Schluss, dass Art. 6 Nr. 2 EuGVVO dahin auszulegen ist, dass er (auch) eine Klage umfasst, die ein Dritter in nach dem nationalen Recht zulässiger Weise gegen den Beklagten des Hauptprozesses erhoben hat und mit der ein mit dem Hauptprozess eng zusammenhängender Anspruch geltend gemacht wird, der auf die Erstattung von Entschädigungsleistungen gerichtet ist, die der Dritte an den Kläger dieses Hauptprozesses gezahlt hat, vorausgesetzt, die Klage ist nicht nur erhoben worden, um den Beklagten dem für ihn zuständigen Gericht zu entziehen.
3.8 Ein Vorabentscheidungsverfahren kann nach der Rechtsprechung des EuGH unter anderem dann unterbleiben (Urteil Rs 283/81, CILFIT), wenn eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH zu den unionsrechtlich relevanten und entscheidungserheblichen Fragen besteht, oder (auch) für potentiell vorlageberechtigte Gerichte anderer Mitgliedstaaten sowie den EuGH, je unter Bedachtnahme auf alle anderen Sprachfassungen, die besondere Terminologie, den speziellen Zusammenhang und den konkreten Entwicklungsstand des Unionsrechts keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt: „acte clair“ (Kohlegger in Fasching/Konecny³ II/3, Anh §190 ZPO Rn. 223, 224; Schwarze, in Schwarze, EU-Kommentar³, Art. 267 AEUV Rn. 48; Schima in Mayer/
Stöger, Kommentar zu EUV und AEUV [2012], Art. 267 AEUV Rn. 112ff).
3.9 Die Grundsätze der Entscheidung SOVAG lassen sich auf die hier zu beurteilende Fallkonstellation zwanglos übertragen. Die Unterschiede bestehen nur darin, dass sich die internationale Zuständigkeit im hier bereits anhängigen (Haupt)Prozess nicht auf die Vorschriften für Versicherungssachen, sondern auf jene für Verbrauchersachen stützt und hier keine eigenständige parallele Aktivklage durch einen Dritten eingebracht, sondern bloß eine Inkassozession und eine nachfolgende Klagsausdehnung vorgenommen wurde. Damit ist die Verknüpfung hier noch enger als in der Rechtssache SOVAG, sodass der Wahlgerichtsstand des Art. 6 Nr. 2 EuGVVO grundsätzlich zur Verfügung steht. Der Anregung der Beklagten, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten, war daher nicht näherzutreten („acte clair“). Die Ansprüche des Klägers und der Zedenten stehen in einem engen Zusammenhang, sie leiten sich aus demselben Lebenssachverhalt ab. Die Vorgangsweise mit Inkassozession und Klagsausdehnung ist nach österreichischem Recht zulässig. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorgangsweise nur gewählt wurde, um die Beklagte ihrem allgemeinen Gerichtsstand zu entziehen, sind nicht ersichtlich. Dass ein Gerichtsstandmissbrauch vorliege, wurde von der Beklagten auch gar nicht behauptet.
3.10 Art. 65 Abs. 1 EuGVVO bestimmt, dass die in Art. 6 Nr. 2 EuGVVO für eine Gewährleistungs- oder Interventionsklage vorgesehene Zuständigkeit in Deutschland, Österreich und Ungarn nicht geltend gemacht werden kann. Diese Sonderregelung ist im Zusammenhalt mit den in Österreich unbekannten Gewährleistungs- oder Interventionsklagen zu sehen. Dabei handelt es sich um prozessrechtliche Figuren des romanischen Rechtskreises, die einen potenziell Regresspflichtigen in das bereits anhängige Verfahren hineinziehen (Streitverkündung in Klageform). Das Urteil ergeht dann auch gegen den Regresspflichtigen und wirkt gegen ihn als Partei des Verfahrens (Musger, RZ 1993, 196). An deren Stelle tritt gemäß Art. 65 Abs. 1 lit. b EuGVVO in Österreich die Streitverkündung nach § 21 ZPO (Czernich in Czernich/Tiefenthaler/G. Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht 3, Art. 6 EuGVVO Rn. 16,17).
3.11 Die Begriffe „Klage auf Gewährleistung“ und „Interventionsklage“ sind unionsrechtlich autonom vor dem Hintergrund der im Wesentlichen übereinstimmenden romanischen Rechtsordnungen zu interpretieren. Die Interventionsklage ist der Oberbegriff. Bei der Gewährleistungsklage handelt es sich um eine Klage, die der Beklagte in dem Rechtsstreit gegen einen Dritten zum Zweck der eigenen Schadloshaltung wegen der Folgen dieses Rechtsstreits erhebt (EuGH C-77/04, GIE Réunion européenne u.a., unter Hinweis auf den Jenard-Bericht). Die Interventionsklage setzt voraus, dass die Hauptklage (schon und noch) anhängig ist. Regelmäßig wird der Drittbeteiligte durch die Interventionsklage des in Anspruch Genommenen als Beklagter in den Hauptprozess hineingezogen (Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht9 Art. 6 EuGVO Rn. 26, 27).
3.12 Die Entscheidung SOVAG hat nicht diese in Österreich unbekannten Rechtsinstitute zum Gegenstand, sondern dehnt die Anwendbarkeit des Art. 6 Nr. 2 EuGVVO unter bestimmten Bedingungen auf parallel gerichtete Entschädigungsklagen gegen denselben Schädiger aus. In einem derart gelagerten Fall ist für eine Streitverkündung nach § 21 ZPO kein Raum. Die Sonderregelung des Art. 65 Abs. 1 EuGVVO für Österreich greift hier daher nicht und hindert auch nicht, dass die Zuständigkeit für die ausgedehnten Klagsansprüche auf den Wahlgerichtsstand des Art. 6 Nr. 2 EuGVVO gestützt werden kann.
3.13 Damit ist die Prozessvoraussetzung der internationalen (und örtlichen) Zuständigkeit auch für die ausgedehnten Klagsansprüche gegeben und erweist sich die Klagsausdehnung als zulässig. Das Erstgericht hat daher auch zu Recht eine (hier stattgebende) Sachentscheidung über die ausgedehnten Ansprüche getroffen. Dem Rechtsmittel der Beklagten war der Erfolg zu versagen.
4. Kostenentscheidung und Revisionszulässigkeit
4.1 Die Kostenentscheidung im Rekursverfahren stützt sich auf §§ 50, 41 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten seiner Rechtsmittelgegenschrift richtig und tarifmäßig verzeichnet. Da diese jedoch als Rekursbeantwortung zu behandeln war, steht nur der einfache Einheitssatz zu (§ 23 Abs. 9 RATG e contrario).
4.2 Die absolute Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs. 2 Z 2 ZPO (vgl RIS- Justiz