Die Antragsgegnerin ist eine nach britischem Recht gegründete private limited company mit dem Sitz in ***, registriert im ***. Im Jahr 2006 errichtete die Antragsgegnerin eine Zweigniederlassung in Österreich, und zwar zunächst in ***, *** und wurde am 15.6.2006 zu FN *** im Firmenbuch des Landesgerichtes Leoben eingetragen. Im Frühjahr 2010 wurde der Sitz der Zweigniederlassung nach Wien verlegt, diese ist seither in ***, ***, etabliert. Diese Anschrift ist auch als Privatadresse des derzeitigen, selbstständig vertretungsbefugten Geschäftsführers ***, geboren am ***, im Firmenbuch eingetragen.
Am 18.2.2011 beantragte die *** (Antragstellerin) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin. Diese schulde ihr laut dem dem Antrag beigelegten vollstreckbaren Rückstandsausweis vom 16.2.2011 den Betrag von EUR 1.082,27 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen an rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen für November 2010. Die Zahlungsunfähigkeit ergebe sich aus dem Zeitraum der rückständigen Beiträge unter Bedachtnahme auf § 69 Abs 2 IO. Außerdem sei aufgrund der Anzahl der gemeldeten Dienstnehmer (damals 109) mit einer hohen Nachverrechnung zu rechnen.
Das Erstgericht erhob durch eine Anfrage im Zentralen Melderegister, dass über den Geschäftsführer *** zur Zeit keine Daten für eine Meldeauskunft vorliegen (AS 9). Ein Auszug aus dem Exekutionsregister "VJ-Namensabfrage" wies zum Stichtag 21.2.2011 zwei aktuelle Exekutionsverfahren gegen die Antragsgegnerin aus, betreibende Parteien waren die *** (zu 68 E 651/11m des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien) und die *** (zu 4 E 5053/10a des Bezirksgerichtes Judenburg; ON 4). Die *** teilte über Anfrage des Erstgerichtes mit, dass die Antragsgegnerin nicht als Beitragsschuldnerin aufscheine. (Vom Rekursgericht wird dazu angemerkt, dass diese Auskunft im Widerspruch zum Exekutionsverfahren 68 E 651/11m des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien steht, dem ein vollstreckbarer Rückstandsausweis der *** vom 1.2.2011 über EUR 11.632,12 samt Nebengebühren zugrunde liegt). Das zuständige Finanzamt Wien 1/23 erklärte, es liege keine Zustimmung der Antragsgegnerin zur Auskunftserteilung nach § 48a BAO vor.
Die Ladung des Erstgerichtes zur Einvernahmetagsatzung am 10.3.2011 sowie der Insolvenzeröffnungsantrag wurden dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin am 26.2.2011 durch Hinterlegung zugestellt, die Postsendung kam jedoch unbehoben an das Erstgericht zurück. Zur Tagsatzung erschien nur ein Vertreter der Antragstellerin, der erklärte, es sei in der Zwischenzeit keine Zahlung erfolgt. Über Aufforderung werde die Antragstellerin einen Kostenvorschuss erlegen (AV auf AS 25).
Mit dem nun angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Insolvenzeröffnungsantrag wegen örtlicher Unzuständigkeit des Handelsgerichtes Wien zurück und führte zur Begründung aus, dass sich nach dem Vorbringen der Antragstellerin, der Aktenlage und den durchgeführten Erhebungen der Sitz der Gesellschaft in Großbritannien befinde. Das Bestehen einer Zweigniederlassung im Sprengel des Handelsgerichtes Wien habe die Antragstellerin nicht behauptet, Vermögen der Antragsgegnerin im Inland sei nicht feststellbar gewesen. Damit sei kein Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes gegeben, ein zuständiger Gerichtshof habe auch nicht eruiert werden können.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Abänderung, dem Erstgericht die Insolvenzeröffnung aufzutragen. Die Schuldnerin habe zwar ihren Sitz in Großbritannien, sei jedoch im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien mit einer Zweigniederlassung in *** Wien, ***, eingetragen. Sie habe derzeit zur Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit 113 Dienstnehmer zur Sozialversicherung gemeldet, sodass mit Rücksicht darauf, dass der Kostenvorschuss von der Antragstellerin erlegt werde, die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Haupt-, allenfalls eines Partikularinsolvenzverfahrens gemäß Art 3 EuInsVO vorlägen.
Der Rekurs ist im Sinne des vom Abänderungsantrag mitumfassten Aufhebungsantrages berechtigt.
Die Regeln über die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren finden sich in Art 3 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (im Folgenden: EUInsVO), der wie folgt lautet:
„1.) Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist.
2) Hat der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Gebiet eines Mitgliedstaates, so sind die Gerichte eines anderen Mitgliedstaates nur dann zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befugt, wenn der Schuldner eine Niederlassung im Gebiet dieses anderen Mitgliedstaates hat. Die Wirkungen dieses Verfahrens sind auf das im Gebiet dieses letzteren Mitgliedstaates belegene Vermögen des Schuldners beschränkt.
(3) Wird ein Insolvenzverfahren nach Absatz 1 eröffnet, so ist jedes zu einem späteren Zeitpunkt nach Absatz 2 eröffnete Insolvenzverfahren ein Sekundärinsolvenzverfahren. Bei diesem Verfahren muss es sich um ein Liquidationsverfahren handeln.
(4) Vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Absatz 1 kann ein Partikularverfahren nach Absatz 2 nur in den nachstehenden Fällen eröffnet werden:
a)falls die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Absatz 1 angesichts der Bedingungen, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates vorgesehen sind, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, nicht möglich ist;
b)falls die Eröffnung des Partikularverfahrens von einem Gläubiger beantragt wird, der seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in dem Mitgliedstaat hat, in dem sich die betreffende Niederlassung befindet, oder dessen Forderung auf einer sich aus dem Betrieb dieser Niederlassung ergebenden Verbindlichkeit beruht."
Die zwölfte Begründungserwägung der Verordnung erläutert dies dahin, dass das Hauptinsolvenzverfahren in dem Mitgliedstaat eröffnet wird, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Dieses Verfahren hat universale Geltung und hat grundsätzlich zum Ziel, das gesamte Vermögen des Schuldners zu erfassen, wobei jedoch in den Mitgliedstaaten, in denen der Schuldner eine Niederlassung hat, parallele Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet werden können, deren Wirkungen auf das in dem oder den betreffenden Mitgliedstaat(en) belegene Vermögen des Schuldners beschränkt sind. Nach der dreizehnten Begründungserwägung soll als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Ort gelten, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist.
Im Wesentlichen ist daher bei Fällen, in denen noch in keinem anderen Staat ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, zwischen der internationalen Zuständigkeit für ein Hauptverfahren (Art 3 Abs 1 EuInsVO) und jener für ein Partikularverfahren (Art 3 Abs 2 EuInsVO) zu unterscheiden. Auch der Insolvenzeröffnungsbeschluss hat schon wegen der unterschiedlichen Rechtswirkungen klar auszusprechen, ob es sich um ein Haupt- oder ein Partikularverfahren handelt (vgl § 220a I0). Nach der Rechtsprechung ist von einem Insolvenzeröffnungsantrag auch der Antrag auf Eröffnung eines österreichischen Partikularoder Sekundärverfahrens jedenfalls mitumfasst (8 Ob 135/04t, 8 Ob 12/06g). Voraussetzung dafür ist das Vorliegen einer Niederlassung. Der Gerichtsstand des (bloßen) Vermögens im Inland kommt im Anwendungsbereich der EuInsVO zur Begründung der internationalen Zuständigkeit österreichischer Gerichte nicht in Betracht (vgl Art 3 Abs 2 ff EUInsVO, Art 2 lit h EUInsVO; RIS-Justiz RS0121443).
Art 2 lit h EUInsVO definiert als "Niederlassung" jeden Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt. Zu Art 5 Nr 5 EuGVÜ definierte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften den Begriff der Zweigniederlassung, der Agentur oder der sonstigen Niederlassung als den Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit, der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, dass er in der Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, dass diese, obgleich sie wissen, dass möglicherweise ein Rechtsverhältnis mit dem im Ausland ansässigen Stammhaus begründet wird, sich nicht unmittelbar an dieses zu wenden brauchen, sondern Geschäfte an dem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit abschließen können, der dessen Außenstelle ist (OGH 8 ObS 18/04m mwN). Zu der in Art 2 lit h der EUInsVO definierten "Niederlassung" (Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt) wird als entscheidend das Vorliegen einer auch nach außen hin wahrnehmbaren Aktivität angesehen, wobei die bloße eigene Tätigkeit des Schuldners nicht ausreicht. Hingegen würde ein Büro samt Bürokraft ("Einmann-Büro") zur Begründung einer Niederlassung ausreichen (OGH 8 ObS 18/04m; 8 Ob 135/04t mwN).
Vorweg ist zu prüfen, ob der Interessenmittelpunkt des Antragsgegners in Österreich liegt. Die EuInsVO geht davon aus, dass es stets nur einen Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners und somit nur einen Staat geben soll, der für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig ist (vgl Konecny, Thesen zum Mittelpunkt der hauptsächlichen Schuldnerinteressen, Insolvenzforum 2004, 135; ebenso ZIK 2005/2). Als Interessenmittelpunkt soll jener Ort gelten, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist (Erwägungsgrund 13 der EuInsVO; Konecny, aaO 133, 136). Bedeutung haben dabei unter anderem Kriterien wie die Unternehmensleitung oder die organisatorische Ausstattung bzw die wichtigsten Geschäftsführungsmaßnahmen, bei natürlichen Personen auch der gewöhnliche Aufenthaltsort bzw der Wohn- oder Arbeitsort.
Liegen Anknüpfungspunkte für die internationale Zuständigkeit im Inland nach der EuInsVO vor, so ergibt sich die örtliche Zuständigkeit aus § 63 IO. Danach ist für das Insolvenzverfahren der Gerichtshof zuständig, in dessen Sprengel der Schuldner sein Unternehmen oder eine inländische Niederlassung betreibt oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Unter dem Betriebsort ist der Ort der Leitung des Unternehmens zu verstehen. Bei Fehlen eines eigenen Büros ist dies im Zweifel der Aufenthalt der geschäftsführenden Organe (OLG Wien 28 R 317/02s ua). Das Vorhandensein von Vermögen im Inland iSd § 63 Abs 2 IO reicht, wie dargelegt, zur Begründung der internationalen Zuständigkeit österreichischer Gerichte nicht aus (RIS-Justiz RS0121443).
Maßgebend für die Zuständigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Rekursgerichtes der Zeitpunkt der Antragstellung (Mohr, KO § 63 E 5f).
Der einen Insolvenzeröffnungsantrag stellende Gläubiger hat in seinem Antrag auch jenen Sachverhalt anzugeben, aus dem sich die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ergibt (Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht', 11/2 § 63 KO Rz 39). Das angerufene Gericht ist an diese Angaben jedoch nicht gebunden, sondern hat nach § 41 Abs 3 JN die für die Zuständigkeit maßgebenden Verhältnisse von Amts wegen zu untersuchen. Die Pflicht des in einer Insolvenzeröffnungssache angerufenen Gerichtes beschränkt sich nicht nur darauf, die eigene örtliche oder sachliche Unzuständigkeit abzuklären, sondern umfasst auch die in § 254 Abs 5 IO auferlegten Erhebungen, die zur Ermittlung des zuständigen Gerichtes erforderlich sind. Nur unter diesen Voraussetzungen ist das angerufene Gericht in der Lage, sich eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Überweisung an ein bestimmtes Gericht - oder für die Zurückweisung - zu verschaffen (28 R 150/04s ua).
Zwar trifft es zu, dass die Antragstellerin im Insolvenzeröffnungsantrag das Vorliegen einer inländischen Niederlassung nicht behauptet hat, doch hat das Erstgericht dies im Zuge seiner amtswegigen Erhebungen durch Einsichtnahme in das Firmenbuch ohnedies festgestellt. Auch wenn vom Geschäftsführer keine aktuellen Meldedaten erhoben werden konnten, durfte das Erstgericht angesichts des Vorbringens im Insolvenzeröffnungsantrag, es seien 109 Dienstnehmer aufrecht gemeldet, nicht von einer die internationale und die örtliche Unzuständigkeit begründenden völligen Einstellung des Geschäftsbetriebes der Antragsgegnerin ausgehen. Im Übrigen konnte der Insolvenzeröffnungsantrag an die Schuldnerin durch Hinterlegung zugestellt werden, was darauf schließen lässt, dass an der Anschrift der inländischen Zweigniederlassung auch eine Abgabestelle im Sinne des § 2 Abs 5 ZustG besteht.
Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht daher zunächst klären müssen, ob der Interessenmittelpunkt der Schuldnerin in Österreich gelegen ist, um beur teilen zu können, ob - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - ein Haupt- oder ein Partikularinsolvenzverfahren zu eröffnen sein wird. Danach wird es die weiteren Insolvenzeröffnungsvoraussetzungen zu prüfen und danach neuerlich über den Eröffnungsantrag zu entscheiden haben. Das Fehlen kostendeckenden Vermögens stünde im konkreten Fall einer Insolvenzeröffnung voraussichtlich nicht entgegen, weil die Antragstellerin den Erlag eines Kostenvorschusses nach § 71a I0 zugesagt hat, wobei bisher ein entsprechender Auftrag an sie noch nicht ergangen ist.