Der Kläger schloss ein Jus-Studium mit Spezialisierung auf IT-Recht und Datenschutzrecht ab und absolviert derzeit das Doktoratsstudium, wobei seine Dissertation die zivil-, straf- und verwaltungsrechtlichen Aspekte von Datenschutz zum Thema hat.
Er verwendet Facebook seit 2008, zunächst ausschließlich für private Zwecke unter einem falschen Namen. Seit 2010 nutzt er ein bestimmtes Facebook-Konto, das er nur für seine privaten Aktivitäten wie Fotos tauschen, chatten, posten mit ca 250 Freunden verwendet. Darin schreibt er seinen Namen in kyrillischen Buchstaben, damit er unter seinem Namen nicht auffindbar ist. Darüber hinaus nutzt er Facebook seit 2011 auch über eine von ihm registrierte und aufgesetzte Facebook-Seite, um über sein Vorgehen gegen Facebook, seine Vorträge, Teilnahmen an Podiumsdiskussionen und seine Medienauftritte zu berichten, sowie ferner für Spendenaufrufe und um für sein Buch zu werben. Das Vorgehen des Klägers gegen die Beklagte war Gegenstand von unzähligen TV-Sendungen auf österreichischen, deutschen und internationalen Kanälen, zahlreichen Radiosendungen, sowie Gegenstand von zumindest 184 Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften (einschließlich Onlinepublikationen) wie der FAZ, Le Monde, New York Times, Washington Post, Hong Kong Standard und The Week (Indien).
Er brachte bereits im August 2011 sechzehn und im September 2011 sechs weitere Beschwerden gegen die Beklagte bei der irischen Datenschutzkommission ein. Diese erstellte einen Prüfbericht, der Empfehlungen an die Beklagte enthielt und in weiterer Folge einen Nachprüfungsbericht. Im Juni 2013 brachte der Kläger eine weitere (23.) Beschwerde gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem Überwachungsprogramm PRISM ein, die letztlich zu einem Vorabentscheidungsverfahren betreffend die „Safe Harbor“-Entscheidung der Europäischen Kommission beim Europäischen Gerichtshof führte.
Im Zusammenhang mit seinem Vorgehen gegen behauptete Datenschutzrechtsverletzungen veröffentlichte der Kläger zwei Bücher, hielt – teilweise auch entgeltlich – Vorträge ua bei kommerziellen Veranstaltern, registrierte zahlreiche Websites (Blogs, Onlinepetitionen, Crowdfunding für Verfahren gegen die Beklagte), gründete einen Verein zur Durchsetzung des Grundrechts auf Datenschutz, erhielt verschiedene Auszeichnungen und ließ sich behauptete Ansprüche aus der ganzen Welt abtreten, um diese im gegenständlichen Verfahren geltend zu machen. Der Kläger erklärt, dass seine Initiative darauf abzielt, Druck gegen Facebook zu erzeugen und löst mit seinen Berichten eine Medienflut aus.
Der Verein zur Durchsetzung von Datenschutz ist nicht auf Gewinn gerichtet und hat die aktive rechtliche Durchsetzung des Grundrechts auf Datenschutz, die nötige begleitende Information und Medienarbeit sowie politische Aufklärung als Zweck. Es sollen Musterverfahren von öffentlichem Interesse gegen Unternehmen, welche dieses Grundrecht potentiell gefährden, finanziell unterstützt werden. Es sollen auch notwendige Auslagen aufgebracht und dafür entsprechende Spenden gesammelt, verwaltet und ausgeschüttet werden. Dazu wurde eine der genannten Websites (Crowdfunding) vom Kläger, der für den Verein alleine vertretungsbefugt ist, registriert und betrieben. Der Verein hat mittlerweile Spenden in der Höhe von 60.000 EUR gesammelt.
Auf einer der anderen genannten Websites haben über 25.000 Personen ihre Ansprüche abgetreten. Am 9. 4. 2015 befanden sich bereits 50.000 Personen auf einer Warteliste.
Die gegenständliche Sammelklage wird von einer Prozessfinanzierungs AG (gegen ein Entgelt von 20 % des Erlöses) und mit PR-Unterstützung einer Agentur betrieben. Für die irischen Verfahren wurde eine Prozesskostenlimitierung auf 10.000 EUR erreicht. Die eigenen Anwälte dieser Verfahren muss der Kläger vereinbarungsgemäß nicht bezahlen.
Der Kläger hat für seine Aktivitäten gegen Facebook ein Team von zehn, im Kern fünf, Personen um sich versammelt, die ihn unterstützen. Es ist nicht feststellbar, ob für diese Unterstützung etwas bezahlt wird. Die erforderliche Infrastruktur wird vom privaten Konto des Klägers bezahlt. Weder er noch der Verein beschäftigen Personal.
Der Kläger ist bei seiner Mutter beschäftigt und bezieht dort sein Einkommen. Weiters bezieht er auch ein Einkommen aus der Vermietung einer Wohnung. Daneben erzielt er Einkommen in nicht feststellbarer Höhe aus dem Verkauf der genannten Bücher und aus Veranstaltungen, zu denen er, aufgrund seines Vorgehens gegen Facebook, nunmehr der gegenständlichen Klage, eingeladen wurde. Jedenfalls erhielt er im letzten Jahr für drei bis vier Vorträge ein Honorar von je zumindest 100 EUR bis 500 EUR. Der Kläger nutzt das enorme, weltweite Medieninteresse an seinem Vorgehen gegen die Beklagte mittlerweile auch beruflich.
Der Kläger bringt im Wesentlichen vor, der Beklagten fielen zahlreiche Verstöße gegen datenschutzrechtliche Regelungen zur Last, die im österreichischen Datenschutzgesetz (DSG), im irischen Data Protection Act (DPA) und/oder in der Richtlinie 95/46/EG verankert seien. Der Kläger stellt umfangreiche Feststellungs- (bloße Dienstleistereigenschaft und Weisungsgebundenheit der Beklagten bzw deren Auftraggebereigenschaft soweit die Verarbeitung zu eigenen Zwecken erfolgt, Unwirksamkeit von Vertragsklauseln zu den Nutzungsbedingungen) Unterlassungs- (Verwendung zu eigenen Zwecken bzw Zwecken Dritter), Auskunfts- (Verwendung der Daten des Klägers), Rechnungslegungs-, und Leistungsgsbegehren (Anpassung der Vertragsbedingungen, Schadenersatz- und Bereicherung). Sieben weitere Vertragspartner der Beklagten, die ebenfalls Verbraucher seien und in Österreich, Deutschland bzw Indien wohnten, hätten dem Kläger ihre gleich gelagerten Ansprüche zediert, wobei die Forderungen des deutschen Zedenten nach deutschem Recht zu beurteilen seien.
Die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts stützt der Kläger primär auf den Verbrauchergerichtsstand (Art 16 Abs 1 zweiter Fall EuGVVO alt).
Die Beklagte erhebt unter anderem die Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit. Der Kläger könne sich nicht auf den Verbrauchergerichtsstand stützen, weil er Facebook im maßgeblichen Zeitpunkt der Klagseinbringung, aber auch im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 15. 11. 2013 bereits kommerziell genützt habe. Auf die zedierten Ansprüche sei der Verbrauchergerichtsstand mangels seiner Übertragbarkeit nicht anzuwenden.
Das Erstgericht wies die Klage zurück. Der Kläger nutze Facebook auch beruflich, sodass er sich nicht auf den Verbrauchergerichtsstand stützen könne. Der für den Zedenten persönlich begründete Gerichtsstand gehe nicht auf den Zessionar über.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss über Rekurs der klagenden Partei teilweise dahin ab, dass es die Klage (nur) hinsichtlich der nicht den Kläger persönlich betreffenden Ansprüche zurückwies. Im Übrigen verwarf das Rekursgericht jedoch die Prozesseinreden der beklagten Partei. Die Zuständigkeitsregeln für Verbraucher in der EuGVVO kämen einem Verbraucher nur dann zugute, wenn er persönlich Partei in einem Rechtsstreit sei. Daher könne sich der Kläger insoweit nicht mit Erfolg auf Art 16 Abs 1 zweiter Fall EuGVVO aF stützen, als er zedierte Forderungen geltend mache. Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zu.
Beide Streitteile bekämpfen diese Entscheidung mit Revisionsrekurs.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
1. Die Revisionsrekurse sind zulässig. Die Bewertung des Rekursgerichts ist für den Obersten Gerichtshof grundsätzlich bindend; ein Verstoß gegen zwingende Bewertungsvorschriften oder eine offenkundige Fehlbewertung (vgl RIS-Justiz RS0042450 uva) liegen nicht vor. Der Hinweis des Rekursgerichts auf die enorme wirtschaftliche Bedeutung der Ansprüche erscheint vielmehr nachvollziehbar.
2.1. Im vorliegenden Fall ist noch die EuGVVO VO (EG) Nr 44/2001 anzuwenden. Die Neufassung der EuGVVO (VO [EG] Nr 2015/2012) gilt gemäß ihrem Art 66 Abs 1 nur für nach dem 9. 1. 2015 eingeleitete Verfahren.
2.2. Auf den in Art 16 Abs 1 zweiter Fall EuGVVO normierten Verbrauchergerichtsstand kann sich ein Kläger gemäß Art 15 Abs 1 EuGVVO nur dann mit Erfolg berufen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag sind, den dieser Kläger zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Für die Bestimmung des Zwecks des Vertrags kommt es auf die für den Vertragspartner des Verbrauchers objektiv erkennbaren Umstände des Geschäfts an. Bei sowohl privaten als auch beruflich-gewerblichen Zwecken dienenden Verträgen liegt ein Verbrauchervertrag dann vor, wenn der beruflich-gewerbliche Zweck derart nebensächlich ist, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäfts nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt (EuGH Gruber/BayWa AG, C-464/01 Rn 39 ff).
2.3. Zwischen den Parteien des Verfahrens ist sowohl strittig, ob es sich beim Kläger überhaupt um einen Verbraucher handelt, sodass dieser den Verbrauchergerichtsstand nach Art 15 ff EuGVVO in Anspruch nehmen kann, als auch, ob der Kläger diesen Verbrauchergerichtsstand für ihm abgetretene Ansprüche anderer Facebook-Nutzer heranziehen kann.
2.4. Der Kläger stützt seine Klage auf folgende Verträge bzw Ansprüche:
-Der Vertrag zwischen Kläger und Beklagter zum privaten Facebook-Konto des Klägers
-die sieben Verträge zwischen den Zedenten und der beklagten Partei zu deren privaten Facebook-Konten sowie
-die Zessionsverträge zwischen den sieben Zedenten und dem Kläger.
2.5. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen verwendet der Kläger ein 2008 bzw 2010 eingerichtetes Facebook-Konto ausschließlich für private Zwecke. Gleichwohl wird von den Parteien unterschiedlich gesehen, ob die sonstigen Aktivitäten des Klägers ausreichen, hier einen ins Gewicht fallenden Zusammenhang mit einer beruflichen bzw gewerblichen Tätigkeit des Klägers anzunehmen.
2.6. Der Oberste Gerichtshof geht – wie schon das Rekursgericht – vorweg davon aus, dass die Errichtung eines Kontos bei Facebook als selbständiger Vertrag einzustufen ist. Demnach könnte der Umstand, dass der Kläger allenfalls nach Eröffnung seines (privaten) Facebook-Kontos weitere Aktivitäten aufgenommen hat, die möglicherweise als beruflich oder gewerblich eingestuft werden können, nicht zum Wegfall der Verbrauchereigenschaft führen. Ferner ist beachtenswert, dass diese sonstigen beruflichen und gewerblichen Tätigkeiten gerade der Unterstützung der Durchsetzung der Verbraucherrechte des Klägers dienen und insoweit zu deren Effektuierung beitragen. Eine Klärung dieser allgemeinen Auslegungsfragen zur zeitlichen Abgrenzung und zur Bedeutung von Aktivitäten zur breiten – gewerblichen – Unterstützung der Durchsetzung von Verbraucherrechten als Grund für den Wegfall der Verbrauchereigenschaft im Sinne des Art 15 EuGVVO durch den EuGH ist geboten. Der Oberste Gerichtshof geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass die Relevanz des früheren Zeitpunkts der Begründung des Facebook-Kontos im Rahmen des autonom zu beurteilenden Vertragsbegriffs des Art 15 EuGVVO auch durch den von der Beklagten behaupteten Neuabschluss des Vertrags durch Änderung der Nutzungsbedingungen im Jahr 2013 erhalten bleibt.
3.1. In den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Shearson/TVB, C-89/91, sowie Verein für Konsumenteninformation/Henkel, C-167/00 hat sich der EuGH bereits mit der Frage der Abtretung von Verbraucheransprüchen befasst. Danach kommen einer beruflich oder gewerblich handelnden Person, an die ein Verbraucher seine Forderung vor Klagseinbringung abtritt, die Begünstigungen nicht zugute (EuGH Shearson/TVB, C-89/91, Rn 24; für Verbandsklagen iSv § 29 KSchG Verein für Konsumenteninformation/Henkel, C-167/00 Rn 33). Diese Entscheidungen betreffen aber die Abtretung an juristische Personen. Entscheidend war, dass die besonderen Zuständigkeitsregeln zum Schutz der Verbraucher nicht auf Personen ausgedehnt werden, die dieses Schutzes nicht bedürfen (Shearson/TVB, C-89/91 Rn 19). Im vorliegenden Fall geht es demgegenüber um die Abtretung von Ansprüchen an eine Privatperson, sofern man den Kläger als Privatperson einstuft. Damit unterscheidet sich die vorliegende Sachverhaltskonstellation grundlegend von den vom EuGH bereits beurteilten Sachverhalten.
3.2. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass, sofern man den Kläger als Verbraucher einstuft, das Verfahren jedenfalls in Wien geführt werden müsste. Gleiches gilt für die Verfahren hinsichtlich jener Ansprüche, die in Wien wohnhafte Verbraucher betreffen. Insoweit würde es die beklagte Partei nicht zusätzlich wesentlich belasten, wenn sie im Zuge dieses Verfahrens sich auch gegen weitere abgetretene Ansprüche zur Wehr setzen müsste.
3.3. Vor dem Hintergrund der bisher vorliegenden Rechtsprechung des EuGH kann die Auslegungsfrage, inwieweit sich ein Verbraucher, der sich von anderen Verbrauchern Ansprüche zur gemeinsamen Durchsetzung abtreten lässt, auf seinen Verbrauchergerichtsstand berufen kann, jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit beantwortet werden.
4. Bis zur Erledigung der Sache ist das Verfahren über die Revisionsrekurse der Streitteile nach § 90a Abs 1 GOG auszusetzen.