Der Antragsteller begehrte mit seinem am 8.3.2006 eingebrachten Antrag die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Antragsgegnerin. Diese schulde ihm aufgrund eines vollstreckbaren Versäumungsurteils des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht insgesamt € 3.677,63 an Arbeitsentgelt, Zinsen und gerichtlich bestimmten Kosten. Sie habe ihre Zahlungen eingestellt und sei zahlungsunfähig. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gründe sich auf Art 3 Abs 1, in eventu Abs 2 EuInsVO. Die Antragsgegnerin habe zwar ihren formellen Sitz in London und sei dort registriert. Sie sei jedoch ausschließlich in Österreich operativ tätig gewesen, indem sie in H*** eine Niederlassung gehabt und mit angestellten Mitarbeitern das von ihr gepachtete [Gast-]Lokal „R*** betrieben habe. Ansonsten habe sie keine Aktivitäten entfaltet. Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Antragsgegnerin sei sohin H*** gewesen. In England habe sie weder ein Unternehmen betrieben noch eine Geschäftsoder Verwaltungstätigkeit entfaltet; mit Ausnahme der Registrierung hätten dort keine Interessen der Antragsgegnerin bestanden. Der zuletzt in Gmunden wohnhaft gewesene Alleingeschäftsführer A*** M*** habe das Unternehmen ausschließlich von Österreich aus in Österreich betrieben. Für den Fall, dass die Antragsgegnerin in Österreich kein Unternehmen und keine Niederlassung mehr betreibe, werde um Zurückweisung des Antrags gemäß § 63 KO (§ 1 Abs 1 Z 5 IESG) ersucht.
Der Geschäftsführer A*** M*** gab bei seiner Vernehmung am 28.6.2006 an, dass die Antragsgegnerin kein Unternehmen mehr betreibe und nach Verkauf des [Lokal-]Inventars kein Vermögen mehr besitze, jedoch noch Verbindlichkeiten gegenüber der Gebietskrankenkasse habe; die Forderung des Antragstellers bestehe seiner Ansicht nach nicht zu Recht. Gegenstand des Unternehmens der Antragsgegnerin sei der Betrieb einer Schihütte in H*** gewesen, die an den Antragsteller verpachtet gewesen und nach der Schisaison 2004/05 geschlossen worden sei. Der Verwaltungssitz habe sich in London befunden. Er habe wegen der Unternehmensschließung noch vor seiner Verhaftung am 1.1.2006 die Löschung der Antragsgegnerin beantragt; ob die Löschung bereits vorgenommen worden sei, wisse er nicht.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Konkurseröffnungsantrag mangels internationaler Zuständigkeit eines österreichischen Konkursgerichtes zurück. Es stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die Antragsgegnerin ist in Großbritannien eingetragen und hat ihren Sitz in London. Alleingeschäftsführer ist der in der Justizanstalt Linz einsitzende A*** M***. Der einzige Unternehmensgegenstand der Antragsgegnerin bestand im Betrieb des gepachteten Gastlokals „R*** in H***. Diese Unternehmenstätigkeit wurde etwa im März 2005 eingestellt; im Zeitpunkt der Konkursantragstellung [März 2006] war das Unternehmen jedenfalls bereits geschlossen. Nach der Unternehmensschließung, aber noch bevor er am 1.1.2006 in Haft genommen wurde, beantragte A*** M*** die Löschung der Antragsgegnerin im englischen Firmenregister. Ob die Löschung bereits durchgeführt wurde, kann nicht festgestellt werden. Die Antragsgegnerin verfügt über kein Vermögen.
In rechtlicher Hinsicht leitete das Erstgericht aus diesen Feststellungen ab, dass es an der internationalen Zuständigkeit eines österreichischen Konkursgerichts fehle. Wie sich aus der Entscheidung des EuGH vom 17.1.2006 zu Rs C-1/04 – Susanne Staubitz- Schreiber (ZIK 2006/34 [32] = wbl 2006/45 [120] = ZfRV 2006/11 [78]; vgl dazu Konecny, Neues zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, ZIK 2006/89 [74 ff]) ergebe, sei bei der Beurteilung der Zuständigkeitsfrage auf den Antragszeitpunkt abzustellen. Spätere Vorgänge könnten die internationale Zuständigkeit nicht mehr verschieben; hingegen sei eine Verlagerung des nach Art 3 Abs 1 EuInsVO maßgeblichen Interessenmittelpunktes zwischen dem Zeitpunkt der Begründung der Forderung des antragstellenden Gläubigers und der Einbringung des Konkursantrags möglich. Der vorliegende Fall sei dadurch charakterisiert, dass eine in England registrierte Gesellschaft in Österreich bis März 2005 ein Unternehmen betrieben, fortan aber keine wirtschaftliche Tätigkeit mehr entfaltet habe, weshalb mit Beginn des Jahres 2006 ihre Löschung beantragt worden sei. Zum Zeitpunkt der Konkursantragstellung sei der Betrieb geschlossen gewesen, der Geschäftsführer der Antragsgegnerin in Haft gewesen und die Löschung der Gesellschaft betrieben worden. Da die eigentlichen Interessen (aber auch der Zweck) der Antragsgegnerin –bezogen auf diesen Zeitpunkt – „nicht mehr deutlich hervorgingen", komme die Zweifelsregel des Art 3 Abs 1 zweiter Satz EuInsVO zur Anwendung, wonach bei Gesellschaften und juristischen Personen bis zum Beweis des Gegenteils vermutet werde, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes sei. Für eine juristische Person, die keine Interessen erkennen lasse, bleibe der Sitzstaat zuständig. Auch ein österreichisches Partikularinsolvenzverfahren nach Art 3 Abs 2 EuInsVO komme nicht in Betracht, weil im Zeitpunkt der Antragstellung keine Niederlassung der Antragsgegnerin in Österreich mehr vorhanden gewesen sei.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Antragstellers aus den Rechtsmittelgründen der unrichtigen Sachverhaltsfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Konkurseröffnung oder einer Antragsabweisung mangels kostendeckenden Vermögens abzuändern, in eventu aufzuheben. Der Antragsteller bekämpft die Feststellung, wonach noch vor dem 1.1.2006 die Löschung der Antragsgegnerin im englischen Firmenregister beantragt wurde. Er will stattdessen aufgrund von ihm vorgelegter Urkunden festgestellt haben, dass zum Zeitpunkt der Konkursantragstellung eine Löschung der Antragsgegnerin weder beantragt noch amtswegig eingeleitet gewesen sei. Im Rahmen der Rechtsrüge macht er geltend, dass keine ausreichenden Feststellungen getroffen worden seien, aufgrund derer beurteilt werden könne, worin die hauptsächlichen Interessen der Antragsgegnerin bestünden und ob deren Mittelpunkt in Österreich oder in England liege. Es sei auch nicht festgestellt worden, zu welchem Zeitpunkt die Interessen der Antragsgegnerin in Österreich erloschen und fortan in London zu finden seien. Das Erstgericht hätte etwa feststellen müssen, zum Zwecke welcher Tätigkeiten (außer dem Betrieb des Lokals „R***) das Unternehmen gegründet worden sei und wo dessen Tätigkeitsbereich sein habe sollen, an welchem Ort die für die Interessenverfolgung der Antragsgegnerin notwendigen organisatorischen Verwaltungs- und Bürotätigkeiten verrichtet worden seien, wo sich die schriftlichen Unterlagen der Antragsgegnerin (Verträge, Korrespondenz, Buchhaltung, Gründungsunterlagen etc) befunden hätten und derzeit befinden würden, von wo aus der angebliche Löschungsantrag gestellt worden sei und ob es in England ein Büro oder Angestellte der Antragsgegnerin gebe.
Nach Kenntnis des Antragstellers sei die Verwaltungstätigkeit der Antragsgegnerin immer und ausschließlich vom jeweiligen Wohnort des Geschäftsführers (zunächst in Leonding, dann in Gmunden) aus ausgeübt worden und würden sich alle ihre Verwaltungsunterlagen in Österreich befinden. Aus dahin lautenden Feststellungen wäre abzuleiten, dass sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Antragsgegnerin in Österreich befinde und bis zur Konkursantragstellung nicht verschoben habe.
Der Rekurs wurde der Antragsgegnerin mittels öffentlicher Bekanntmachung zugestellt, weil sich der aktuelle Aufenthaltsort ihres mittlerweile enthafteten Geschäftsführers nicht eruieren ließ. Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
Dem Rekurs kommt im Sinne des Aufhebungsantrags Berechtigung zu.
Nach Art 3 Abs 1 EuInsVO sind für die Eröffnung des (Haupt-) Insolvenzverfahrens die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat; bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist. Nach dem 13. Erwägungsgrund zur EuInsVO soll als „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen" jener Ort gelten, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist. Davon ausgehend können nur äußere Kriterien relevant sein, die den Verwaltungsort für Dritte, womit die Gläubiger gemeint sind, feststellbar machen. Maßgeblich ist demnach der Ort, wo der Schuldner für Gläubiger objektiv erkennbar ist oder es zumindest wäre, wenn sie sich darüber informieren wollten; nicht ausschlaggebend für die Bestimmung des Verwaltungssitzes ist hingegen, wo sich die meisten Gläubiger aufhalten oder wo die meisten Geschäfte abgeschlossen werden. Verwaltet wird ein Unternehmen dort, wo es faktisch-operativ geleitet wird. Da die EuInsVO nach außen erkennbare Umstände verlangt, ist die effektive Verwaltung der Schuldnerinteressen dort zu lokalisieren, wo sie mit einer entsprechenden Mindestausstattung an organisatorischen Strukturen (wie Büros, Personal, EDV, Kommunikationseinrichtungen udgl) erfolgt. Nicht primär oder gar allein abzustellen ist hingegen auf den Aufenthaltsort des Geschäftsführers, mag dieser auch die maßgebliche Entscheidungen treffen (Duursma-Kepplinger in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Europäische Insolvenzverordnung [2002], Art 3 Rz 12 und 24; Burgstaller/Keppelmüller in Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht II [Teillieferung Februar 2003], Art 3 InsVO Rz 10 f; Konecny, Thesen zum Mittelpunkt der hauptsächlichen Schuldnerinteressen gern Art 3 Abs 1 EuInsVO, ZIK 2005/2 [2 ff, insbes 4 f] mwN; OLG Linz 2 R 16/06w, ZIK 2006/173 [137]; EuGH Rs C-341/04 – Eurofood IFSC Ltd, wbl 2006/136 [318]).
Der vorliegende Fall ist nun dadurch gekennzeichnet, dass es nach der Aktenlage keinen von außen, also für Gläubiger erkennbaren Verwaltungssitz im soeben umschriebenen Sinn mehr gibt, und zwar schon seit einem deutlich vor Einleitung dieses Verfahrens gelegenen Zeitpunkt. Die Antragsgegnerin entfaltet offensichtlich seit 2005 keinerlei werbende, operative oder sonstige Tätigkeit mehr; ihr einziger Geschäftsführer befand sich ab 1.1.2006 in Haft. Irgendwelche Organisationsstrukturen (wie zB der Antragsgegnerin zuordenbare Räumlichkeiten, Dienstnehmer, Fernsprech- oder sonstige Kommunikationsanschlüsse usw) sind nicht vorhanden. Es existiert kein Gesellschaftsvermögen mehr, sodass auch keine Abwicklung stattfindet. Damit lässt sich für den Zeitpunkt der Konkursantragstellung (wie auch für den ihr unmittelbar vorangehenden Zeitraum) kein „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen” festmachen; die Antragsgegnerin ist vielmehr wegen der Aufgabe jeglicher geschäftlichen oder sonstigen Aktivität sowie der bereits erfolgten Liquidierung ihres Vermögens gleichsam „interesselos" geworden. An dieser Einschätzung würde sich auch dann nichts ändern, wenn feststünde, dass zum Zeitpunkt der Konkursantragstellung die Löschung der Antragsgegnerin im englischen Firmenregister weder beantragt noch amtswegig eingeleitet gewesen wäre.
Dem Erstgericht ist darin zu folgen, dass für die Prüfung der internationalen Zuständigkeit grundsätzlich die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend sind. Der von ihm gewählte Lösungsansatz, mangels Erkennbarkeit aktueller Interessen die (zur internationalen Zuständigkeit des Sitzstaates führende) Vermutung des Art 3 Abs 1 zweiter Satz EuInsVO Platz greifen zu lassen, überzeugt allerdings nicht. Diese Zweifelsregel ist anzuwenden, wenn unklar bleibt, in welchem Mitgliedstaat der (tatsächlich irgendwo vorhandene) Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen einer Gesellschaft oder juristischen Person zu lokalisieren ist. Sie ist hingegen nicht für den Fall gedacht, dass es (infolge Einstellung jeglicher Aktivität der Gesellschaft oder juristischen Person) keinen Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen mehr gibt, setzt sie doch nach ihrem Inhalt die Existenz eines solchen Mittelpunkts voraus. In diesem Sonderfall bleibt nur die Möglichkeit, auf den zuletzt vorhanden gewesenen Interessenmittelpunkt abzustellen. Auf diese Weise wird am ehesten der Intention des Art 3 Abs 1 EuInsVO entsprochen und das nicht sachgerechte Ergebnis vermieden, dass die Zuständigkeit für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nur deswegen, weil die bislang in einem bestimmten Mitgliedstaat ihren Interessen nachgehende Gesellschaft oder juristische Person jegliche Aktivität einstellt, auf die Gerichte eines anderen Mitgliedstaates übergeht, in dem sich bloß der formelle Sitz befindet, wo aber nie irgendwelche Verwaltungsstrukturen vorhanden waren und auch sonst keine Tätigkeit entfaltet wurde („Briefkastenfirma” im Sinne von EuGH Rs C-341/04 – Eurofood IFSC Ltd, wbl 2006/136 [318]).
Im gegenständlichen Verfahren deutet alles darauf hin, dass die Antragsgegnerin den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen in Österreich hatte, bestand doch ihr alleiniger Unternehmensgegenstand im Betrieb eines Gastlokals in H*** und liegt bislang kein konkret fassbarer Anhaltspunkt vor, dass sich – für Dritte objektiv erkennbar – der effektive Verwaltungssitz bzw der Ort der faktisch-operativen Leitung der Antragsgegnerin in Großbritannien befunden hätte. Der Geschäftsführer A*** M*** hat zwar bei seiner Einvernahme angegeben, der Verwaltungssitz sei in London gewesen (Seite 1 unten in ON 16). Da er jedoch nichts in die Richtung erwähnte, dass sich dort irgendwelche organisatorischen Strukturen der Antragsgegnerin (wie ein Büro, Dienstnehmer, die Buchhaltung, Kommunikationseinrichtungen udgl) befunden hätten, ist anzunehmen, dass er mit dieser Formulierung bloß den registermäßigen Sitz der Gesellschaft meinte. Es wäre nämlich ausgesprochen ungewöhnlich, dass der Betrieb eines österreichischen Gastlokals (in Gestalt einer „Schihütte") von London aus geleitet und verwaltet würde.
Vor diesem Hintergrund ist bei lebensnaher Betrachtung der momentanen Aktenlage die Vermutung des Art 3 Abs 1 zweiter Satz EuInsVO als widerlegt anzusehen, sodass derzeit kein Anlass für eine Zurückweisung des Konkurseröffnungsantrags wegen fehlender internationaler Zuständigkeit besteht und deshalb der angefochtene Beschluss aufzuheben war. Es bleibt dem Ermessen des Erstgerichts anheimgestellt, ob es weitere Erhebungen zum Ort des letzten Interessenmittelpunkts der Antragsgegnerin pflegen will, um die Frage der internationalen Zuständigkeit noch eingehender zu prüfen, oder ob es sogleich unter der Zugrundelegung der internationalen Zuständigkeit der österreichischen Gerichte anderweitig über den Konkurseröffnungsantrag abspricht.
In Anbetracht der Höhe der vom Antragsteller geltend gemachten (Konkurs-)Forderung (€ 3.677,63) besteht kein Anlass, den Wert des Entscheidungsgegenstands mit mehr als 4.000,-- anzusetzen. Daraus folgt, dass der Revisionsrekurs nach den §§ 171 KO, 528 Abs 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig ist, gleichgültig ob man die gegenständliche Entscheidung als „echten" Aufhebungsbeschluss (§ 527 Abs 2 ZPO) oder als abändernde Entscheidung ansieht.
Gemäß § 173 Abs 1 KO findet im Konkursverfahren ein Kostenersatz nicht statt; dies gilt auch für die Kosten des Rechtsmittelverfahrens (OGH 26.2.2004, 8 Ob 153/03p; 27.5.2004, 8 Ob 45/04g; RIS-Justiz RS0065227).